Gymnasium Ohmoor   -   Grundkurs Komplexchemie im 4. Semester   -  © C.-J. Bautsch GK Chemie 28. April 2002

 

Berliner Blau mit dem 256000sten Teil eines Nagels

   

Die Idee und Anregung zu folgendem Versuch stammt von Axel Rex aus "Mein Spiel und Experimentierbuch", erschienen bei Heyne in München 1973. Die komplexchemische Deutung erarbeiteten wir nach Cotton-Wilkonson, "Anorganische Chemie". Verlag Chemie, Basel 1980  und dem neuen Chemie-Basislexikon von Römpp, Thieme, Stuttgart 1998. Der Versuch ermöglicht die Anwendung   anorganisch-chemischer Kenntnisse verschiedener Bereiche und erfüllt ästhetische Ansprüche beim Experimentieren.

   
Versuchsdurchführung:
Einige Nägel, etwa 1g, werden in einem Reagenzglas in ca. 10ml 30%iger Salzsäure gegeben. Die Lösung wird erhitzt, um den Vorgang zu beschleunigen. Es dauert etwa 30 Minuten bis sich die Nägel vollständig gelöst haben. Schließlich werden einige Milliliter konz. Salpetersäure hinzugefügt. Das Reagenzglas wird mit Wasser abgekühlt, bis auf 25 ml aufgefüllt und gut durchgeschüttelt. 

Die Flüssigkeit des Reagenzglases enthält 1g Nägel im gelösten Zustand.  In einem anderen Gefäß wird aus wenig gelbem Blutlaugensalz K4[Fe(CN)6] und etwas Wasser eine Lösung zum Nachweis von Eisen hergestellt. Mit dieser Lösung werden 11 Uhrgläser gefüllt. In das erste Uhrglas  kommt ein Tropfen aus der Eisenlösung. Das sind etwa 0,05 Milliliter, darin werden 2mg Eisen nachgewiesen. Die Lösung wird jetzt Schritt für Schritt noch weiter verdünnt, um zu prüfen, wie lange sich Eisen darin nachweisen lässt. Die Hälfte der Eisenlösung wird dazu in ein anderes Reagenzglas umgefüllt, dass dann ebenfalls mit Wasser aufgefüllt und umgeschüttelt wird.  In weiteren 10 Schritten wird immer wieder mit Wasser verdünnt, so dass sich die Konzentration jeweils halbiert. Das elfte Uhrglas enthält dann unter 4 Mikrogramm Eisen, also weniger als den 256 000sten Teil der ursprünglich gelösten Nägel.
Versuchsbeobachtungen:

* Unter heftiger Gasentwicklung zersetzen  sich die Eisennägel in der Salzsäure zu einer klaren, leicht grünlichen Lösung. 

* Die Salpetersäurezugabe bewirkt plötzlich eine Ocker- bis Orange - Färbung. Teilweise spritzt die Lösung aus dem Reagenzglas! 

* Der Eisennachweis ist sehr empfindlich. Im Bild rechts sind die Uhrgläser im Uhrzeigersinn geordnet. Im ersten Glas gibt es einen so intensiven Niederschlag, dass es fast schwarz erscheint. Mit zunehmender Verdünnung erscheint eine schön gefärbte Lösung von Berliner Blau. Mit etwas Wartezeit (10 Minuten) zeigt sich auch nach dem 9. Schritt noch eine eindeutige, auf die Anwesenheit von Fe3+ - Ionen beruhende Farbreaktion. 

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Versuchsdeutung: 

1. Die Eisen-Nägel lösen sich in konz. Salzsäure durch die Oxidationswirkung der Hydroniumionen: 
 Fe    +   2H3O+       ==>     Fe2+      +      H2^     +      2H2
(U0 H+/H2  = 0,0Volt; U0 Fe/Fe2+ = -0,46Volt) 

2. Nitrat vermag im Sauren die Eisen-II-Ionen weiter zu oxidieren, es bildet sich der Chloropentaquoeisen-III-Komplex: 
3Fe2+   +   3Cl-   +   4H3O+    +   NO3-  + 9H2O      ==>    3[Fe(H2O)5Cl]2+    +    NO^ 
(U0 NO/NO3- = +0,96Volt;  U0 Fe2+/Fe3+ = +0,77Volt) 

3. Mit Hexacyanoferrat-II - Ionen entsteht das schöne Berliner Blau 
 [Fe(H2O)5Cl]2+    +      4K+    +    [Fe(CN)6]4-     ==>     K+    +      [FeFe(CN)6]-    +      5 H2O    +   3K+    +      Cl- 

Dem Niederschlag weist das Römpp-Lexikon die Verhältnisformel Fe4III[FeII(CN)6]3 zu. In der 3. Gleichung sind wir von der löslichen Verbindung ausgegangen. 
Berliner Blau wird in Druckfarben, in der Automobillackierung und zur Buntpapierherstellung verwendet.


Die Abbildung zeigt den Kristallaufbau von Berliner Blau
Jedes Eisenion ist oktaedrisch von Cyanid - Liganden umgeben. Es liegt also eine d2sp3 - Hybridisierung vor. 
Die Farbigkeit beruht auf den Effekten eines sogenannten Charge - Tranfer - Komplexes. Ein Teil der Lichtenergie (Komplementärfarbe von Blau) bewirkt einen Ladungstransfer von den Fe-II-Ionen zu den gleichberechtigt im Gitter eingebauten Fe-III-Ionen.